Nachlese

Tja, die drei Monate sind rum. Was bleibt?

Zunaechst mal:

  • Hat es sich gelohnt?
    • Absolut.
  • Wuerde ich alles nochmal genauso machen?
    • Auf keinen Fall.

Ich hatte den Trip fast zwei Jahre vorbereitet. An vielen Stellen hatte ich das Gefuehl fast zu viel vorbereitet zu sein. Bei einigen anderen Dingen und Orten war ich schlicht ratlos. Durch Schweden bin ich zum Beispiel viel zu schnell durchgerauscht. Aber das gibt auch Potential fuer einen zweiten Anlauf.

Was absolut super und passend war, war die Entscheidung fuer einen kleinen Anhaenger und fuer das James Baroud Dachzelt. In Skandinavien war das top. Vor allem, wenn man mal unauffaellig ohne Campingplatz uebernachten will. Das haette ich noch etwas mehr ausnutzen koennen.

In Frankreich waren Dachzelt und Anhaenger auch gut, allerdings wurde man sehr haeufig in Gespraeche verwickelt, was das denn fuer eine combination extraordinaire sei, aber gut, das noetigt einen dazu, mal wieder das Schulfranzoesisch zu entmotten.

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Im Dachzelt war es auch bei niedrigen Temperaturen nie unangenehm kalt. Ok, unter 5°C wird es langsam grenzwertig, aber ich haette auch einen der Schlafsaecke herauskramen koennen, dann waeren die niedrigeren Temperaturen kein Problem gewesen. Fuer das Dachzelt und das andere Gear werde ich nochmal einen gesonderten Beitrag erstellen.

Die Route war … naja, semi-richtig. Finnland und Schweden waren super. Vor allem Finnland mit seinen National Parks war echt beeindruckend. Wer auf der Suche nach Ruhe ist, ist dort richtig. In Finnland hatte echt alles gestimmt.

Nur ich war noch nicht im richtigen Modus. Ich war zu schnell unterwegs. Am 8. August bin ich mit der Faehre in Helsinki angekommen, am 14. August war ich an meinem noerdlichsten Punkt der Reise. Ein oder zwei Wochen frueher oder spaeter am Polarkreis… wie voellig egal waere das gewesen? Zugegeben, das Wetter war bisweilen auch etwas ungemuetlich und lud dann eher zum Fahren als zum Verweilen ein, aber zum Thema „Zeltanhaenger und schlechtes Wetter“ an anderer Stelle mehr.

Auf Schweden hatte ich mich nicht so gut vorbereitet, keine Nationalparks oder Natursehenswuerdigkeiten vorgemerkt, geschweige denn kulturelle Dinge, die dann in groesseren Staedten waeren. Und natuerlich war ich immer noch zu schnell. Einerseits war ich immer noch lieber im Auto unterwegs, als mir den Pavillon wegwehen zu lassen. Anderseits konnte ich nicht so richtig einschaetzen, wie lang ich fuer die Strecke bis nach Suedschweden brauchen wuerde. In Schweden hatte ich ja fast die doppelte Strecke zurueckzulegen wie in Finnland.

Schweden fand ich auch … wie soll ich es sagen … organisierter, strukturierter, reglementierter als Finnland. Vor allem haben mich die Landstrassen gestoert, wenn man einspurig links und rechts von Leitplanken eingekeilt wird. Dann muss man schnell runter von der Strasse und sich ein paar Umwege und Schleichwege suchen, sonst faehrt man nur noch geradeaus bis Daenemark. Abseits der grossen Strassen ist es dafuer aber umso huebscher. Je weiter man in den Sueden kommt, umso mehr sehen die Oertchen aus, wie Bullerbue oder Loenneberga, keine Zaeune, keine Hecken. Nur Wiesen zwischen den Haeusern, echt malerisch.

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Im noerdlichen und mittleren Schweden geht es noch sehr gut, weiter im Sueden werden allerdings die Moeglichkeiten ohne Campingplatz zu Uebernachten deutlich weniger. Hier gibt es keine grossen Waldbereiche mehr. In Suedschweden ist alles in privatem Besitz und da haben die Leute wenig Lust, Fremde uebernachten zu lassen. Kein Weg in ein Waldstueck, der nicht von grossen Findlingen versperrt waere. Viele Schilder, die das Uebernachten explizit verbieten. Die Campingplaetze an der Strecke fand ich auch nicht einladend. Direkt an der vielbefahrenen Europastrasse hinter einem Maschendrahtzaun oder nur ein schlichter Parkplatz ohne Baum und Wiese. Da haette man mehr recherchieren muessen, um gute Plaetze zu finden.

Schweden wird auf jeden Fall nochmal auf die Agenda kommen.

Frankreich war super.

Einerseits war ich dort deutlich besser vorbereitet, als auf Schweden. Anderseits war ich in Frankreich auch nicht allein unterwegs und zu zweit ist man bisweilen etwas unternehmungslustiger als allein. Und wenn man mit seinem Schulfranzoesisch etwas guten Willen zeigt, sind die Leute auch unglaublich aufgeschlossen und freundlich. Unvergessen die Campingplatzbesitzerin, die im Schloss Chambord angerufen hatte, um herauszufinden, ob das ein Druckfehler ist oder ob ich mit meinem Schwerbehindertenausweis plus Begleitung wirklich umsonst hineinkomme. Und ja, man kommt offenbar in alle franzoesischen Schloesser kostenlos, incl Begleitung und kostenlos parken, verrueckt.

In Frankreich war ich schon viele Male und bestimmt nicht zum letzten Mal.

Spanien… naja… landschaftlich ist es teilweise wirklich toll, sehr huegelig und gebirgig, gute Strassen, schoenes Wetter, einige – wenige – schoene Staedte.

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Aber halt auch ruepelhafte Spanier, miese Campingplaetze, randalierende Hunderudel, unglaubliche Monokulturen, schlimme Tourismusindustrie. Ich muesste schon sehr viel mehr lesen und dann auch konkrete Ziele haben, und zwar Sehenswuerdigkeiten und auch Campingplaetze/Uebernachtungsplaetze. Auf’s Geratewohl losfahren und schauen wo man landet, das funktioniert nicht. Dafuer gibt es dort zu viele Schattenseiten in der Sonne.

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Was bleibt nun? Es war gut und richtig, dass ich mal eine Zeit allein unterwegs war. Nach dem Krebs- und Bypass-Horror, der jetzt fast auf den Tag drei Jahre her ist – 11.11.2015 11:11 Uhr, helau –  war es noetig, mal etwas Abstand zu bekommen. Drei Monate keine Termine, auch keine Arzttermine. Drei Monate keine Datenbanken, keine KPI’s und keine Spends. Wer hat eigentlich entschieden, dass das eh schon unheilige Wort „Spendings“ zu lang ist und nun „Spends“ genannt werden muss? Als ob man sich durch die gesparte Zeit eher in den Feierab… in die quality time verabschieden wuerde.

Ohne an dieser Stelle zu viel ueber den Sinn den Lebens und 42 fabulieren zu wollen, ich bin mit dem Gruebeln, was ich fuer mich will, nicht ganz fertig geworden. Festgestellt habe ich immerhin, dass drei Monate kein guter Zeitraum ist. Es ist zu kurz, um richtig weit zu kommen, Stichwort : Projekt Altona-Adelaide. Aber es ist zu lang, um vom Hochgefuehl des Urlaubsbeginns lang genug zu profitieren. Dann lieber drei Mal fuer einen Monat. Oder halt Glueckspirale und Sofortrente.

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Des Weiteren habe ich festgestellt, dass man sehr gut eine Weile allein unterwegs sein kann. Mehr Spass hat man aber zu zweit. Dabei ist nicht Einsamkeit das Problem, oder Langeweile oder Kontaktarmut oder ausgelebter Tourette. Man braucht vielmehr andere Impulse und Ideen, sonst koechelt man zu sehr in seinem eigenen Sueppchen. Ich geh auch mal allein in ein Restaurant, aber irgendwie ist das auch ein bissel bloed, also schmeisst man doch eher den Kocher an. Oder : Hier ist es gerade ganz huebsch, Camper gut, Wetter gut, Umgebung sehenswert, also bleibt man ein paar Tage und duest nicht am naechsten Tag weiter. Eine Woche allein unterwegs, ja, zwei Wochen auch gut. Drei Monate -> nein.

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Und ich habe festgestellt, dass planlos unterwegs zu sein nicht mein Ding ist. Einerseits nagt dann in mir der Zweifel, ungeahnt an Dingen vorbeigefahren zu sein, die ich gern haette sehen wollen. Andererseits habe ich die Erfahrung gemacht, dass man Spontanitaet auch mit spontanem Ungemach bezahlen muss, siehe einspurige Leitplankenhoelle in Schweden oder randalierende Spanier auf Sperrmuellcampern.

Was habe ich noch festgestellt? Weiterhin 40 Std pro Woche bis ich dereinst in die Grube fahre, das wird es nicht sein. Ich werde, das Wohlwollen meines Arbeitgebers vorausgesetzt, in absehbarer Zeit meine Wochenstunden reduzieren. Was noch fehlt, ist ein Plan, was ich mit der gewonnenen Zeit anfange. Langfristig koennte ich mir eine Regelung vorstellen, bei der ich zwar 40 Std pro Woche arbeite, aber dafuer mehr Urlaubstage haette. Mal schauen, was in der Agentur moeglich ist oder moeglich wird.

Wuerde ich nochmal eine dreimonatige Auszeit machen? Hm. Weiss nicht. Vielleicht. Aber ich kann es jedem nur dringendst ans Herz legen, es selbst mal zu machen. Ich wuerde bei einer nochmaligen Gelegenheit die drei Monate vielleicht eher in drei Teile stueckeln. Oder noch etwas mehr sparen und dann ein weiter entferntes Ziel ansteuern.

Aber es ist auf jeden Fall gut, wenn man mal rauskommt. Sonst wird man ja wahnsinnig.

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